GigWork ist eine Plattform, die innovative Jobmodelle für New Work entwickelt, die aber auch selber vermittelt. Co-Gründer und CEO Dr. Nicolai Kranz bringt 20 Jahre Erfahrung aus dem Personalmanagement mit. In unserem Interview erklärt er, was es mit GigWork auf sich hat.
Frage: Was ist GigWork?
Antwort: Wir sind in Deutschland die einzigen, die Kurzjobs auf einer digitalen Plattform anbieten – und zwar als reguläre Anstellungsverhältnisse. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.
Alternative zur Zeitarbeit
Für die Unternehmen ist es eine Alternative zur Zeitarbeit, weil sie mit den Bewerbern flexibel jederzeit in Kontakt treten können.
Für Bewerber ist es eine Möglichkeit, ihre Arbeitskraft flexibel einzusetzen, und nicht zuletzt bringt Gigwork Menschen in Arbeit, die sonst gar nicht am Erwerbsprozess teilnehmen könnten.
GigWork ist die Antwort auf die Kernprobleme, die den Arbeitsmarkt prägen.
Frage: Welche sind die Kernprobleme, die du erwähntest?
Antwort: Kurz gefasst sind das:
- Steigende Vakanzen in den Unternehmen durch Fachkräftemangel
- Hohe Fremdpersonalkosten – manche zahlen Millionen Euro an Zeitarbeitsfirmen
- Risiko der Scheinselbständigkeit: Wenn Unternehmen versuchen, Vakanzen mit Freiberuflern zu besetzen, ist das ein Problem. Honorarärzte in Krankenhäusern sind z.B. regelmäßig Scheinselbständige.
- Der Zeitarbeitsmarkt ist zunehmend reguliert, 18 Monate sind die Höchstdauer für eine Überlassung.
Dazu kommt, dass die jüngeren Arbeitskräfte Work-Life-Balance-orientiert und monetär gut abgesichert sind. Und immer mehr wollen auch eher frei arbeiten und sich gar nicht mehr in feste Anstellungen begeben.
Das alles führt dazu, dass weniger jüngere und vor allem wenige passende Bewerber am Arbeitsmarkt verfügbar sind.
Deswegen wollen wir als vierte Säule der Beschäftigung in Deutschland GigWork etablieren, etwas, das in den USA üblich ist, es aber in Deutschland noch nicht gibt.
Vierte Säule der Beschäftigung
Frage: GigWork als vierte Säule der Beschäftigung klingt interessant. Was bedeutet das?
Antwort: Was wir bisher kennen ist die Beschäftigung von
- Angestellten und Beamten
- Freelancern
- Zeitarbeitern
Das ist bisher alles, und hier möchten wir GigWork als vierte Säule implementieren.
Marktführer für Gigwork in den USA ist die Firma Upwork. Upwork hatte im letzten Jahr über eine Milliarde Umsatz – vielfach mit Personen, die vorher am Arbeitsmarkt nicht teilhatten.
In Deutschland möchten wir dasselbe bewirken. Wir möchten es Menschen ermöglichen, flexibel bei Unternehmen zu arbeiten, die ihre Jobs früher mit Zeitarbeitern besetzt hatten. Und damit natürlich auch die Zeitarbeit zu revolutionieren.
Im Unterschied zur Gigwork in den USA vermitteln wir aber nicht Freelancer sondern Angestellte. Hierfür nutzen wir dieselben Mechanismen wie die anglo-amerikanische Gigwork.
Wider den Pflegemangel
Ich selbst habe mich lange mit der Vermittlung von Ärzten und Pflegekräften beschäftigt. Das soll unsere Pilotbranche sein, weil ich glaube, dass GigWork in diesem Bereich einen großen Beitrag leisten kann.
Wir haben Mangel an Pflegekräften in Deutschland und wir erhoffen uns von GigWork Maßnahmen gegen den Pflegemangel. Dabei werden wir auch von einer großen deutschen Krankenkasse unterstützt.
Flexibilität für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Angenommen, eine Studentin hat den ganzen Tag Vorlesung und möchte in der Nacht arbeiten. Sie ist examinierte Pflegekraft und flexibel. Die Helios-Klinik sucht für die Nacht eine Hilfskraft und die Studentin nimmt den Job direkt an. Drei Tage später kann die Studentin tagsüber arbeiten. Auf GigWork sieht sie, dass das Kameha eine Servicekraft für die Terrasse sucht und bewirbt sich direkt.
Früher arbeitete man für eine Zeitarbeitsfirma, die einen abgerufen hat. Wenn man zwei- oder dreimal ablehnte, flog man raus. Oder man hat fest für eine Firma gearbeitet. Die konnte schon gar nicht auf wechselnde Lebensbedürfnisse Rücksicht nehmen.
Da bietet das Produkt, das wir entwickelt haben, wesentlich mehr Freiheit. Wir haben eine digitale Plattform gebaut, über die Menschen – als Arbeitnehmer – ihre Arbeitskraft auf verschiedene Unternehmen verteilen können. Rechtlich sind sie Angestellte, aber sie agieren dort wie Unternehmer, denn sie sind unabhängig, arbeiten mal bei der einen, mal bei der anderen Firma.
Anstellung als Beschäftigungsform stärken
Frage: Warum konzentriert ihr euch auf Anstellungen?
Antwort: Wir könnten mit dieser Technik auch Freelancer vermitteln, tun das aber bewusst nicht, weil wir uns von den Freelancer-Plattformen abheben wollen, aber auch, um Scheinselbständigkeit zu vermeiden. Damit geben wir den Unternehmen mehr Sicherheit.
Wenn ein Unternehmen einen Mitarbeiter durch einen Freelancer ersetzen möchte, ergeben die Prüfungen der Aufsichtsbehörden fast immer, dass es sich um Scheinselbständige handelt. Denn es kann nicht sein, dass plötzlich jemand denselben Job als Freelancer macht.
Deshalb bringen wir die Menschen als Angestellte in Unternehmen. Wir stärken die Anstellung als Beschäftigungsform. Wir möchten, dass in die sozialen Sicherungssysteme eingezahlt wird und wir wollen prekäre Arbeitsverhältnisse zurückdrängen.
Abrufarbeit für Qualifizierte
Frage: Welche Jobvarianten bietet ihr über die Plattform an?
Antwort: Neben den erwähnten GigJobs bieten wir auch FlexJobs an, das sind Arbeitsverhältnisse auf Abruf. Und wir haben eine Jobdating-Funktionalität. Wie ein Datingportal bringen wir Partner zusammen, die ideal zueinander passen, nur geht es hier um Unternehmen und Bewerber.
Frage: Wie funktionieren denn FlexJobs?
Antwort: Das Modell der FlexJobs entwickeln wir zurzeit noch. Im Grunde handelt es sich um Abrufarbeit. Diese wird in Deutschland noch recht wenig genutzt, dabei handelt es sich um ein intelligentes arbeitsrechtliches Konstrukt zur Beschäftigung flexibler Kräfte.
Vom Freelancer zum FlexJobber
In meiner Beratungspraxis habe ich häufig Freelancer zu FlexJobbern gemacht. In einem Krankenhaus bestand zum Beispiel das Problem, dass alle Honorarärzte scheinselbständig waren. Alternativen waren rar, denn die Ärzte wollten partout nicht als Zeitarbeiter arbeiten. Also haben wir Abruf-Anstellungsverhältnisse geschlossen. Die Ärzte bekommen regelmäßig Geld und werden flexibel in Anspruch genommen.
Das lässt sich auf andere qualifizierte Tätigkeiten übertragen. Wenn ich wiederholt mit derselben Kraft zusammenarbeiten möchte, weil ich sie bereits eingearbeitet habe und sie bestimmte Qualifikationen mitbringt, die mir wichtig sind, kann ich sie als FlexJobber beschäftigen. Bei GigJobbern dagegen muss ich mit wechselnden Besetzungen zurechtkommen, denn sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse kann ich nur maximal dreimal für insgesamt höchstens 24 Monate verlängern.
Viel günstiger als Zeitarbeit
Frage: Was können Unternehmen im Vergleich zur Zeitarbeit bei euch sparen?
Antwort: Bei der Zeitarbeit haben wir ein klassisches Dreiecksverhältnis: Das Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt den Zeitarbeiter und setzt ihn beim Kunden ein. Und der Kunde bezahlt der Zeitarbeitsfirma oft etwa das Doppelte dessen, was diese dem Zeitarbeiter zahlt
Die GigJobs begründen ein bilaterales Verhältnis. Der Arbeitgeber hat mit dem GigJobber einen Vertrag, zahlt ihm ein besseres Gehalt und vielleicht noch eine Flexi-Prämie, aber die Summe ist am Ende viel günstiger, als wenn er ihn als Zeitarbeiter beschäftigen würde – selbst wenn er an unsere Firma noch Geld zahlt für eine Stellenanzeige oder eine Provision.
Vielen Dank für das Interview!